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Der Garten der Avantgarde

Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…

Ausstellungen im Museum Wiesbaden

Samstag, 27. Januar 2018

Genau 100 Jahre nachdem der Privatier und Kunstsammler Heinrich Kirchhoff seine bedeutende Sammlung mit Werken der Avantgarde erstmals im Museum Wiesbaden gezeigt hatte, wurde diese nun am selben Ort wieder zusammengeführt. Diese außergewöhnliche Ausstellung war Anlass für eine zusätzlich ins Programm aufgenommene Tagesfahrt.

Leider waren die Anmeldezahlen sehr überschaubar, doch brachte eine kurze Notiz in der Rhein-Zeitung noch drei zusätzliche Gäste, sodass wir im Museum den reduzierten Eintrittspreis für Gruppen erhalten konnten. Mit 17 Teilnehmern – und außerdem zahlreichen Fans für ein Fußballspiel bzw. ein Konzert der »Toten Hosen« – machten wir uns bei nebligem Wetter mit einem modernen RegionalExpress auf den Weg nach Mainz. Das Hochwasser des Rheins hatte noch verschiedene Uferstraßen, so auch die B9 in Oberwesel überschwemmt. Unmittelbar nach dem Binger Loch rissen die Wolken auf und kurzzeitig ließen sich Sonne und blauer Himmel sehen. Da die Fußballfans ab Bingen nach Kaiserslautern weiterfuhren, wurde es deutlich ruhiger im Zug. Nach dem Umstieg in Mainz erreichten wir wohlbehalten den sanierten Kopfbahnhof von Wiesbaden.

Auf dem Weg zum Museum gab es bereits ein paar Informationen zu der 1932 geschaffenen Reisinger-Anlage und der Bunnen-Nymphe aus Lahnmarmor von Bildhauer Arnold Hensler (1891–1935).

Heinrich Kirchhoff (1874–1934) ließ sich zur Jahreswende 1908/09 in der Kurstadt Wiesbaden nieder mit dem Wunsch, sich dort seinen Leidenschaften Kunst und Natur zu widmen. Hier stellte er innerhalb weniger Jahre eine Kollektion zusammen, die hochwertige Arbeiten der Künstler wie Paul Klee, Emil Nolde und Franz Marc vereinte.

H. Kirchhoff, Portraitbüste von Arnold Hensler, um 1919

Wir haben uns die sehenswerte Ausstellung – mit fachkundigen Erläuterungen von Frau Dr. Martina Mauritz – im Rahmen einer eineinhalbstündigen Führung angesehen.

Garten der Avantgarde, Führung

Auf Kirchhoffs Einladung hin kam auch Alexej von Jawlensky nach Wiesbaden und blieb dort bis zu seinem Lebensende. Die Villa von Kirchhoff in der Beethovenstraße 10 bot mit ihrem ganz besonderen Garten, den der Hausherr selbst angelegt hatte, ein paradiesisches Idyll. Botanik-Freunde und Kunstinteressierte waren gleichermaßen magisch angezogen. Kirchhoff beabsichtigte schon früh, seine Sammlungen für alle Bürger zu öffnen und mit ihr als beispielhaftem Lehrstück die Kurstadt zu einem Zentrum der künstlerischen Moderne werden zu lassen.

Franz Marc: Das Äffchen, 1912

Franz Marc: Das Äffchen, 1912. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München

Die Schrecken des Ersten Weltkriegs stürzten viele Künstler in eine Lebens- und Schaffenskrise. Vor allem die jungen Talente, deren Studium zum Teil durch den Krieg jäh unterbrochen wurde, lebten am Existenzminimum. Heinrich Kirchhoff engagierte sich in dieser Zeit besonders für die Maler, die noch am Beginn ihrer Karriere standen. Unter ihnen sind Josef Eberz, Conrad Felixmüller und Walter Jacob hervorzuheben. Als ‚Mäzen der Moderne‘ bot er ihnen in Wiesbaden intensive Förderung, Unterkunft und Atelierplatz. So entstanden zahlreiche Arbeiten vor Ort, die häufig das Umfeld des Sammlers zeigen.

Conrad Felixmüller: Familie Kirchhoff, 1920

Conrad Felixmüller: Familienbildnis Kirchhoff, 1920; Museum Wiesbaden © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Das Ende der ‚Sammlung Kirchhoff‘ kam abrupt, denn 1933/34 wurde sie aufgrund der politischen Umwälzungen aus dem öffentlichen Raum entfernt und der Familie des Sammlers zurückgegeben. Kurz darauf verstarb Heinrich Kirchhoff. Politische Ereignisse und familiäre Schicksalsschläge führten dazu, dass die Sammlung schließlich von der Familie nach und nach aufgelöst wurde. Damit ging ein unersetzbares Stück gesammelte Kunstgeschichte verloren. Für die Zeit der Ausstellung kann jetzt erstmals seit rund 80 Jahren ein großer Teil der ursprünglichen Sammlung Kirchhoff wieder gemeinsam erlebt werden.

Das »Café Jawlensky« im Museum bot nach der Führung die Möglichkeit zu einem leckeren Mittags-Imbiss sowie einer Kaffeepause vor der Rückfahrt.

Bis zur Rückfahrt am Nachmittag bestand für die Teilnehmer die Gelegenheit weitere Abteilungen des Museums Wiesbaden kennen zu lernen. Die überschaubare Präsentation »Delacroix – Courbet – Ribot: Positionen französischer Kunst des 19. Jahrhunderts« zeigte anhand von rund 100 ausgewählten Werken in der Ausstellung einen Querschnitt der Kunstrichtungen dieser große Epoche. Dabei wurde am Beispiel verschiedener Lithographien u.a. von Eugène Delacroix, Théodore Géricault, Pierre Bonnard und Édouard Vuillard die Bedeutung der neuen Drucktechnik für die Verbreitung der Werke deutlich. Alternativ war auch ein Besuch der sehr informativen Ausstellung »Pilze – Nahrung, Gift und Mythen« möglich, die noch bis zum 5. August 2018 zu erleben ist. 

Mit einer Regionalbahn der Firma VIAS fuhren wir durch den Rheingau und auf der rechten Rheinseite zurück nach Koblenz.

Termin: Samstag, 27. Januar 2018
Treffpunkt:
8:50 Uhr, Koblenz Hbf, Bahnhofshalle
Abfahrt: 9:04 Uhr, Gleis 1
Rückkunft: gegen 18:00 Uhr
Preis: Mitglieder: 27,00 €, Gäste: 29,00 €
Leistungen: Zugfahrten, Eintritt, Führung

Leitung, Bericht und Fotos: Hans-Peter Günther

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