Entlang der „Via Regia“ nach Görlitz
1. Tag, Donnerstag (Fronleichnam): Entlang der »Via Regia«
Von Koblenz aus erreichten wir – nach kurzem Zustiegshalt in Limburg - bei Bad Hersfeld die historische West-Ost-Verbindung der Via regia und fuhren durch Thüringen und Sachsen in die Oberlausitz. Vorher haben wir – fast genau in der Mitte der Strecke – im thüringischen Arnstadt eine Mittagspause eingelegt.
Bei einer interessanten Stadtführung mit Frau Friedel konnten wir die Sehenswürdigkeiten der Stadt kennenlernen, in der Johann Sebastian Bach als 18-jähriger seine berufliche Laufbahn begann. Im traditionsreichen Hotel „Goldene Sonne“ bestand Gelegenheit zum Mittagessen mit Thüringer Spezialitäten. Ohne Staus und Behinderungen erreichten wir am Abend Görlitz. Im frisch renovierten Mercure Park-Hotel am Neiße-Ufer bezogen wir Quartier und aßen gemeinsam zu Abend.
2. Tag, Freitag: Görlitz, Große Stadtführung
Die Stadt Görlitz entstand am Schnittpunkt bedeutender europäischer Handelswege. Einer davon war die "via regia", die von Kiew bis nach Santiago de Compostela führte. Dank ihr entwickelte sich Görlitz im Laufe der Jahrhunderte zu einem einflussreichen Zentrum des Handels und der Wissenschaften, dessen Erbe man heute noch erleben kann.
Ganztägig widmeten wir uns mit kompetenter Führung der Doppelstadt an der Neiße. In zwei Gruppen haben wir mit Herrn Dr. Rudolf Hippe und Herrn Udo Bröge zunächst zu Fuß die historische Altstadt erkundet.
Ein glücklicher Zufall war die kurzfristig möglich gewordene Teilnahme an der Vorführung der berühmten Sonnen-Orgel in St. Peter durch KMD Reinhard Seeliger und die begleitenden Erläuterungen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen – in der neu eröffneten Jugendherberge mitten in der Altstadt – gingen wir die „Via dolorosa“ zum „Heiligen Grab“.
Dabei handelt es sich um eine 1480 errichtete verkleinerte Kopie der hochmittelalterlichen Heilig-Grab-Kapelle, die sich in dieser Form in Jerusalem nicht erhalten hat. Die Landschaft mit den Anhöhen nördlich der Grabeskapelle stellt den Ölberg mit dem Garten Gethsemane, der Gebetsstätte und Jüngerwiese dar. Der Wasserlauf symbolisiert das Tal des Baches Kidron. Am Parkplatz wartete unser Fahrer Jakob Hauprichs mit dem Bus. Gemeinsam ging es weiter auf eine Rundfahrt zu den Bauten der Gründerzeit und des Jugendstils.
Zu Görlitz gehört auch die Straßenbahn, hier ein Museumswagen am Postplatz, im Hintergrund die "Muschel-Minna". Den Abschluss bildete der Besuch der ehemaligen preußischen „Ruhmeshalle“ im heute polnischen Zgorzelec. Abendessen im Hotel.
3. Tag, Samstag: Dreiländer-Rundfahrt
Begleitet von Reiseleiter Udo Bröge besuchten wir im polnischen Abschnitt der »Via sacra« zwei bedeutende Kirchenbauten: Im Westfälischen Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte der habsburgische Kaiser den evangelischen Gläubigen im rekatholisierten Schlesien drei eigene Kirchen zugestanden. Die Friedenskirche in Jawor/Jauer gilt als Europas größter sakraler Fachwerkbau.
Das schlichte Äußere kontrastiert mit atemberaubender Pracht und enormer Größe im Innern – sie bietet Platz für etwa 5.500 Menschen! Die Brüstungen der vier Emporen zieren rund 200 Bildfelder mit biblischen Themen. Seit 2001 gehört das in deutsch-polnischer Zusammenarbeit umfassend restaurierte Gotteshaus zum Unesco-Welterbe. Während unseres Besuches übte ein Organist aus Bad Reichenhall für ein Konzert.
Zweites Ziel war Jelenia Góra / Hirschberg. Auf dem historischen Marktplatz mit Rathaus und den "Siebenhäusern" fand an diesem Tag ein BMX-Freestyle-Wettbewerb statt. Nach kurzer individueller Mittagsrast besuchten wir gemeinsam die "Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz".
Das barocke Gotteshaus entstand von 1709 bis 1718 als eine von sechs Gnadenkirchen in Schlesien, nach dem Vorbild der Stockholmer Katharinenkirche.
Am Mittag stand die Fahrt mit dem Zug über die eisenbahngeschichtlich hochinteressante Bergstrecke nach Oberschreiberhau (Szklarska Poreba) auf dem Programm. Die Strecke wurde 1902 eröffnet und bereits im Jahr 1923 elektrifiziert. Um 13:28 Uhr starteten wir allerdings mit einem modernen Diesel-Triebwagen am Hirschberger Bahnhof auf 342 m Höhe. Mit bis zu 40 Promille Steigung und vielen Kurven schraubt sich die Strecke hinauf auf die Höhen des Iser-Gebirges. Am Bahnhof von Oberschreiberhau/Szklarska Poreba (708m ü.N.N.), erwartete uns der Bus zur Weiterfahrt.
Zunächst konnten wir von einem sehr schönen Aussichtsplatz die Sicht auf das Riesengebirge und die Schneekoppe genießen.
Dann hatten wir im Kurort Bad Flinsberg/Swieradow Zdroj Gelegenheit zu einem Bummel durch die historischen Wandelhallen. Nach einer kurzen Kaffeepause am Bus ging es weiter ins tschechische Friedland/Frýdlant mit dem Wallensteinschloß.
Auch wenn die fortgeschrittene Zeit nur noch eine Außenbesichtigung ermöglichte, konnte man einen guten Eindruck von der mächtigen Anlage erhalten. Eine interessante „Zugabe“ war der Besuch des im vergangenen August geborstenen Witka-Stausees und den Auswirkungen des Hochwassers. Glücklicherweise hatte sich das Wasser der Neiße einen Durchbruch in den noch viel Kapazität aufweisenden Berzdorfer See (ehem. Braunkohlen-Tagebau) verschafft und damit größere Schäden in Görlitz und abwärts der Neiße verhindert. Abendessen im Hotel.
4. Tag, Sonntag: Löbau – Kloster Marienstern – Bautzen
Den Sonntagmorgen begannen wir in Löbau mit einem Rundgang über den Markt mit dem prächtigen Rathaus.
Anschließend besichtigten wir das vom Architekten Hans Scharoun 1932 für den Nudelfabrikanten Fritz Schminke konzipierte "Haus Schminke". Die Küche des Haus Schminke wurde nach den, 1926 von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky entworfenen, Prinzipien der »Frankfurter Küche« eingerichtet.
Sie ist bis heute mit originalen Einbaumöbeln und Aluschütten sowie Einschubgläsern der Fa. Gebr. Haarer ausgestattet. Das Haus Schminke gilt als eines der weltweit vier herausragenden Beispiele der Stilrichtungen "Neues Bauen" und "International Style". (Link auf weitere Aufnahmen und Informationen)
Unser zweites Ziel an diesem Tag war das Zisterzienserinnen St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau. Im gewölbten Keller der Klosterschenke konnten wir während der Mittagspause Gerichte der sorbischen Küche probieren.
Nach dem Essen erläuterte uns der Ortschronist der Gemeinde, Herr Kuring, die Geschichte des nicht säkularisierten Klosters im Wandel der Zeiten.
Im Anschluss bestand noch Gelegenheit zu einem Rundgang durch die Schatzkammer, die einzigartige Kunstgegenstände aus dem reichen Klosterbesitz zeigt. Die Ausstellung wurde nach der »1. Sächsischen Landesausstellung« eingerichtet, die 1998 unter dem Thema „Zeit und Ewigkeit“ stand.
Eine Besonderheit ist der sorbische Friedhof in Ralbitz mit seinen mehr als 300 einheitlichen weißen Holzkreuzen.
Zum Abschluss des Tages unternahmen wir einen kurzen Stadtrundgang durch Bautzen, dem kulturellen und politischen Zentrum der Sorben in der Oberlausitz. Abendessen im Hotel.
Fortsetzung im 2. Teil des Reiseberichts
Text und Fotos: Hans-Peter Günther
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