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Auf den Spuren der Magna Graecia in Kalabrien

8-tägige Kultur- und Studienreise

vom 24. bis 31. Mai 2009

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Am 24. Mai, morgens um 0.30 Uhr startete die Reisegruppe in Koblenz mit einem Bus der Firma Garske. Keiner wusste so richtig, ob er nun "Guten Abend" oder schon "Guten Morgen" sagen sollte. Der Flug von Köln/Bonn nach Lamezia-Terme verlief problemlos. Dort wurden wir abgeholt, mit den  nötigsten Informationen versorgt und erreichten nach einer Stunde - fast immer am Meer entlang - unser Hotel "Rocca Nettuno", den "Neptunfelsen".

 

Blick auf das Meer vor Tropea

 

Die Lage machte dem Namen alle Ehre, denn ein traumhafter Blick über die Küstenlandschaft und das blau-grüne Meer mit klarstem Wasser ließen uns die Strapazen der durchwachten Nacht vergessen. Herr Zahren, der uns bereits am Flughafen empfangen hatte, verkündete strahlend, er habe selten so eine reichhaltige Meeresflora - und Fauna erlebt! Wir genossen den ersten Tag als verdienten Erholungstag am Meer, am Pool oder in den weitläufigen Gärten des Hotels. Die Zimmer (teils in Bungalows) gefielen sehr – doch gab es bei den Einzelzimmern, wie leider häufig, ein paar "Abstriche in der B-Note".

 

Hotel Rocca Nettuno

 

Manche machten bereits einen Spaziergang in das nahe gelegene Zentrum der Stadt Tropea, das hoch auf einem Felsen liegt, ca. 7000 Einwohner hat und "die Perle des Tyrrhenischen Meeres" genannt wird. Die Namensgleichheit mit "Saint Tropez" in Frankreich ist verblüffend.

 

Tropea hat eine bewegte über 3000 Jahre alte Geschichte, und ihre Bürger bewahrten sich immer eine gewisse Unabhängigkeit. Der Dom aus dem 12./13.Jh war leider "in restauro", aber das, was zu sehen war, wirkte beeindruckend. Die vielen kleinen Gässchen und das traumhafte Wetter, die zahlreichen Cafés, die hübschen Boutiquen spiegeln italienische Lebensart wider und laden zum Bummeln und Verweilen ein. Überall in den kleinen Geschäften hängen die typischen roten Zwiebeln und Peperoncini, es gibt Zwiebelmarmelade und "nduja" (die scharfe Wurst) zu kaufen. Jedoch ist dem Städtchen auch anzusehen, dass außer den einfallenden kriegerischen Völkern auch mehrere Erdbeben im Laufe der Geschichte große Verwüstungen angerichtet haben, was für ganz Kalabrien gilt.

 

Straßenszene in Tropea

 

Der 2. Tag führte uns in die bewaldeten Berge auf die Hochebene Serra Bruno, wo das Kartäuserkloster des aus Köln stammenden Heiligen Bruno besichtigt wurde: eine Oase der Stille mit einem Wasser und Wunder spendenden Brunnen.

 

Spaziergang auf der Serra Bruno

 

Dort bekamen wir ein deftiges, herzhaftes und typisch italienisches Essen mit Erzeugnissen aus der Gegend. Danach fuhren wir ans Meer zurück nach Pizzo, wo wir in der Bar "Dante" die Herstellung des berühmten "Tartuffo"-Eises verfolgen konnten und dann das Ergebnis auch genießen! Abgesehen von dem Eis ist Pizzo vor allem durch den "König von Neapel", Gioacchino Murat bekannt, der dort in einer Zelle der Aragonesen-Burg auf seine Hinrichtung 1815 warten musste. Übrigens hat er nicht nur im Königreich Neapel erfolgreiche Neuerungen durchgesetzt, sondern auch als Großherzog im Herzogtum Berg und Kleve.

 

Am Spätnachmittag gab es noch ein "Bonbon":

 

Hinweis zur Piedigrotta

 

Am Fuße der Stadt, dicht am Meer, tat sich eine erstaunliche Grotte auf: Im 19. Jahrhundert haben ehemalige Schiffbrüchige in Einlösung eines Gelübdes eine Kirche in den aus Tuffstein bestehenden Felsen hinein gebaut, zahlreiche Figuren aus demselben Stein schmücken die Kirche!

 

Am Abend genossen wir wieder die Annehmlichkeiten des Hotels: "aperitivo" und "digestivo" an der Bar; Abendessen in Buffet-Form im Restaurant oder auf der großen Terrasse.

 

Der nächste Tag stand zur freien Verfügung. Aber es hatten sich schon Gäste für eine Rundfahrt um die "Äolischen Inseln" interessiert, und es gelang der stellvertretenden Reiseleiterin, Plätze auf dem Schiff in bewährter italienischer Manier zu "erhandeln".

So schifften sich 15 Teilnehmer auf dem Schnellboot zunächst zu Insel Vulcano ein, die für ihre Schwefelbäder bekannt ist. Wir hatten Gelegenheit zu einem Landgang.

 

Baden auf Vulcano

 

Es roch wie in der Schule im Chemieunterricht. Etliche Leute gaben sich dem Schlamm hin und spazierten im gelben Outfit umher. Dem Namen "Vulanco" machte die Insel an diesem Tag alle Ehre, denn es war wirklich sehr heiß! Wir bummelten durch die Gassen mit ihren kleinen Boutiquen und erwarben Schmuck aus Vulkangestein oder glitzernde Steine, bzw. kleine Brocken gelben Bimsgesteins.

 

Weiter ging es dann per Schiff zur größten und bevölkerungsreichsten Insel des Archipels, die zugleich Verwaltungszentrum ist: Lipari.

Dort hatte bereits der Chef des Schifffahrtsunternehmens zwei Busse organisiert, die für 10 € die Touristen (vor allem Italiener und Deutsche, aber auch Polen und Franzosen) um die Insel fuhren. So entdeckten wir die Vielseitigkeit der Landschaft und erfuhren viel über Geschichte und Lebensweise der Bewohner. Das riesige Bimsvorkommen und Vulkangestein erinnerte uns an unsere Heimat.

 

Blick auf die Äolischen Inseln

 

Unser Italienisch sprechendes Vorstandsmitglied wurde übrigens spontan als Übersetzerin engagiert und erhielt zum Lohn ein paar Dankeschöns, ein Bilderbuch und eine Flasche köstlichen süßen Weines ("Malvasia"), den sie am letzten Abend den Mitreisenden als "Apero" spendierte. Die letzte Insel, die wir anliefen, war Stromboli.

Wir umfuhren die Insel weitläufig und konnten die Vielfalt des Gesteines sehen und natürlich auch den Rauch ausspeienden Berg, den "schwarzen Giganten", der an die griechischen Sagen von Hephaistos, Demeter, Persephone und Kore erinnert – was dann später im Museum von Reggio di Calabria vertieft wurde.

 

Der Stromboli

 

Auf Stromboli waren wir natürlich heiß darauf, das Haus zu besichtigen, in dem der berühmte Regisseur Roberto Rossellini während der Dreharbeiten zum Film "Stromboli" den Reizen der "kühlen Blonden", Ingrid Bergman, verfiel (während dessen Anna Magnani vor Eifersucht fast verrückt wurde). Außerdem beobachteten wir viele Trekking- und Wandertouristen und den Anstieg der Preise in den Restaurants und „bar“. (Una birra: 5 €)

 

Der nächste Tag führte uns nach Reggio di Calabria entlang der "Costa degli Dei" (Götterküste), in die heimliche Hauptstadt und größte Stadt Kalabriens. Die "schönsten Kilometer Italiens" (laut dem Dichter der Dekadenz, Gabriele d’Annunzio), die parallel dazu verlaufende Einkaufsstraße mit schicken Boutiques, das köstliche Eis, der Dom, das "Castello Aragonese" aus dem 15. Jh und schließlich das Nationalmuseum mit den berühmten Statuen warteten auf uns.Kalabrien: Reggio Calabria, Bronze

 

 

 

Die Schätze des Museums waren vielfältig, vor allem was den Kult der Demeter und Persephone betrifft, und die "Pinakes" (Terrakotta-Tafeln) - aber dann blieb uns fast der Atem stehen - als wir die berühmten Krieger aus Riace (5. Jh v.Chr.) und den "Philosophenkopf" aus Bronze mit dem typischen Stirnband des Philosophen (auch 5. Jh) leibhaftig betrachten konnten!

 

Da blieb nicht mehr Zeit für die Pinakothek.

 

 

 

 

 

 

An der "Costa Viola" entlang fuhren wir weiter nach Scilla, dem Ort, der als Meeresungeheuer beschrieben wird: mit sechs Köpfen und zwölf Tatzen, dem die sechs Begleiter von Odysseus zum Opfer fielen. Der gefährliche Strudel wird in der Odyssee metaphorisch beschrieben. Cariddi befindet sich in Sizilien, und genau hierhin, in die Meerenge, wird Odysseus getrieben.

 

Festung über Scilla

 

Der Fels dominiert das Fischerdorf. Dort eroberte die alte italienische Familie Ruffo die Burg, von der aus sie Sizilien sehen konnte und den Fang des berühmten Schwertfisches, den auch wir beobachten konnten. Denn gerade um diese Jahreszeit wird er gefangen und frisch auf den Tisch gebracht. Wie gut der "pesce spada" schmeckt - davon konnten wir uns in einem Restaurant über dem Meer mit der besten Aussicht überzeugen, aber es gibt noch ein richtig gutes direkt am Meer. Am selben Abend bei der Rückkehr gab es auch im Hotel frischen Schwertfisch.

 

Am darauf folgenden Tag fuhren wir an die andere Küste zum Ionischen Meer, wo die Griechen als erstes gelandet sind. Die Ausgrabungsstätte des antiken Locri könnte auch in Griechenland beheimatet sein. Die Stadt war reich und hatte einstmals 30.000 Einwohner. Berühmt wurde sie durch den Verfasser des ersten europäischen Gesetzbuches im 7. Jh v. Chr., Zeleucos. Später wurde die Stadt municipium des Römischen Reiches. Das Theater aus dem 6. Jh v.Chr. hat wohl eine hervorragende Akustik gehabt. Orangenhaine und Olivenhaine sind charakteristisch für die Umgebung.

 

Die Kathedrale von Gerace

 

Gerace am Ausläufer des Gebirges Aspromonte wurde im 7. Jh von den Einwohnern Locris gegründet. Die Normannen bauten es als wichtige Stadt aus. Für den Bau des romanischen Domes (vollendet ca. 1100) wurden Steine, Säulen und Kapitelle von Locri verwendet. Die kleine Stadt strahlt Ruhe aus, vor der Kirche lädt eine "pasticceria" mit köstlichen "dolci" zum Verweilen ein. Einige erwanderten die normannischen Burgruinen. In der Kirche San Francesco d’Assisi befindet sich der Marmorsarkophag des Fürsten Nicola Ruffo.

 

Bergamotte-Produkte

 

Schließlich konnten wir mit eigenen Augen die "Bergamotte"-Pflanze und einige aus ihr hergestellte Produkte sehen. Sie wird nur an einem einzigen Küstenstrich im Süden Kalabriens angebaut.

 

Blick auf Cosenza

 

Am nächsten Tag fuhren wir nach Cosenza, der kulturellen Hauptstadt Kalabriens mit fast 80.000 Einwohnern. Während des "Risorgimento" war Cosenza das Zentrum der Einigungsbewegung Italiens, die "carbonari" als Initiatoren der Rebellion sind ein Ergebnis der Freiheitsbewegung. Die Universität hat einen hervorragenden Ruf. Wie in Koblenz prägt hier der Zusammenfluss zweier Flüsse das Stadtbild: der Busento fließt in den Crati. Das Gedicht von Platens hat den Ort für uns Deutsche unvergesslich gemacht: der Westgotenkönig Alarich soll hier mit seinem Schatz begraben worden sein. Ein Mitglied des Bildungsvereins hat dankenswerterweise das Gedicht auswendig vorgetragen!

 

Auf dem Rückweg erlebten wir den absoluten Höhepunkt der Reise: San Francesco di Paola! Dieser Pilgerort strahlt eine solche Ruhe und Schönheit aus, dass es sich verbietet, in Worten zu schwelgen. Der mystische Heilige, der im Dienste des Hl. Franziskus lebte, zieht viele Pilger an. Im Kreuzgang erzählen die Bilder seine Wundertaten. Kapelle und unterirdische Gänge sowie die Zelle, in der er als Einsiedler gelebt hat, zeugen vom uneigennützigen Leben des Eremiten.

 

Nach diesen eindrucksvollen Bildern fuhren wir entlang des Tyrrhenischen Meeres in der Abendsonne zurück nach Tropea. Unser französisch-italienischer Führer algerischer Herkunft, der mit einer Berlinerin und zwei Kindern in Ricadi lebt, erklärt uns viele Details über das Leben in Kalabrien, auch über die "ndrangheta", die kalabrische Mafia. Der letzte Film - im Anschluss an das Buch von Niccolò Ammaniti "Io non ho paura" - zeigt das schonungslose Vorgehen dieser Vereinigung. Wir selbst haben keine Repressionen in dieser Hinsicht erlebt, wir waren Touristen und sind mit Sicherheit keine Zielgruppe dieser Gruppierung, deren Geschichte einerseits auf die Unabhängigkeit Italiens zurück geht ("carbonari"), andererseits auf die Probleme der Kleinbauern und der Großgrundbesitzer.

 

Wir haben (wenn wir es versuchten) sehr viel Freundlichkeit erlebt und auch Uneigennützigkeit. Am letzten Tag war von der Reiseagentur ein Ausflug in die "Ruralia" geplant, eigentlich bestand er nur aus einem (zu) einfachen (aber zu teuren) Essen auf dem Lande in dem Gut eines Architekten, der ein ehemaliger Fußballspieler war, groß, blond, alt, "macho" und der sich am Ende des "rustikalen" Essens in ein unaussprechliches Chaos verstrickte, als es darum ging, die Gäste wieder mit dem Bus zurück ins Hotel zu transportieren. Dank der Sprachkenntnisse und der entschiedenen Proteste der beiden Reiseleiter gelangten aber alle wieder ins Hotel zurück.

 

Der Abflugtag bestand aus einer Ruhe- und Erholungsphase, in der Strand und Gärten genutzt wurden sowie auch das "All-Inclusive"-Angebot des Hotels.

 

Kalabrien Gruppenbild

 

Damit ging eine Reise zu Ende, die von einigen Teilnehmern als "wunderbar, lehrreich und vergnüglich zugleich" beschrieben wurde!

 

"Andiamo in un’altra Italia!" - "Sconosciuta!" - "Dov’è l’Italia é ancora l‘ Italia!"

Lasst uns eine anderes Italien sehen, ein unbekanntes: das, was noch richtig Italien ist!

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